Starts und Landungen im Minutentakt, Reisende ohne Gepäck und mit viel Leichtigkeit unter den Schwingen. Ein vielstimmiger, zwitschernder Chor, der sich über Baumwipfel und Tümpel, über wogendes Schilf und blühende Wiesen erhebt. Und trotz allem auch eine Stille, die verzaubert. Das Europareservat Unterer Inn, liebevoll Naturium genannt, ist das Zuhause von unzähligen Pflanzen und Tieren und nicht zuletzt ein gut gedeckter Tisch, an dem sich durchziehende Vögel mit Reiseproviant versorgen. Ein schillernder Eisvogel quert die Szenerie, ein Seeadler zieht hoch am Himmel seine Kreise. Zu ebener Erd‘ steht ein staunendes Publikum und kann sich nicht sattsehen am Grün des Auwalds, am Blau des Himmels und an den weiten Wasserflächen, die funkelnde Glanzlichter in die Natur setzen. Das Europareservat Unterer Inn, das sich auf 55 Flusskilometern zwischen den Mündungsbereichen
der Salzach und der Rott erstreckt, ist ein einzigartiges Naturjuwel.
Das klingt vielleicht ein wenig pathetisch, trifft es aber im Kern. Denn was sich in den Staubereichen des Unteren Inns abspielt, stellt jedes Bühnenstück in den Schatten. Im Frühling und Herbst werden die Inseln, Schlickbänke und Schilfufer zum Vogelflughafen. Zehntausende gefiederte Gäste machen hier auf ihrem Hin- und Rückflug in den Süden Halt, um sich in den Innstauseen mit Proviant für ihre teils tausende Kilometer lange Reise einzudecken. Andere wiederum wohnen das ganze Jahr im Paradies; von den über 300 Vogelarten, die hier beobachtet wurden, brüten etwa 130 im Europareservat. Vor allem im Frühjahr ist Konzert- und Jagdsaison: Pirol, Blaukehlchen, Sumpfrohrsänger, Schlagschwirl, Beutelmeise und Rohrschwirl zwitschern uns was vor. Im flachen Wasser gehen der schneeweiße Silberreiher, der Seidenreiher und der äußerst seltene Nachtreiher auf die Pirsch. Dazwischen taumeln Schmetterlinge von Blüte zu Blüte, gefährdete Käferarten haben ein sicheres Habitat. Libellen, Frösche, Kröten, Molche, Biber und Fledermäuse.
Am Unteren Inn leben mehr als 800 verschiedene Arten von Schmetterlingen! Auf den Wiesen der Brennen und Dämme summt und schwirrt es nur so vor bunten Faltern, Bienen, Fliegen und Heuschrecken. Auch gefährdete und seltene Käferarten wie der Dunkle Seidenkäfer oder der Deutsche Sandlaufkäfer sind hier anzutreffen.
Über den Tümpeln und Altgewässern der Aue jagen Libellen akrobatisch nach ihrer Beute. Hier fühlen sich auch verschiedene Froscharten, Kröten und Molche wohl. Mit etwas Glück kann man eine Ringelnatter – oder sogar die seltene Äskulapnatter – beobachten. In der Dämmerung und in der Nacht werden Biber und Fledermäuse wie der Große Abendsegler oder die Wasserfledermaus aktiv.
Auch die Pflanzenvielfalt am Unteren Inn kann sich sehen lassen: Die Schwarzpappel hat hier bayernweit ihre bedeutendsten Vorkommen, und die Grauerlenwälder gelten als die größten zusammenhängenden Bestände in Deutschland. Im Frühjahr verwandelt sich der Auwaldboden in einen wahren Blütenteppich, übersät von Schneeglöckchen, Blausternen und Windröschen. Im Sommer findet man auf den Dämmen und Brennen eine wunderschöne Fülle an bunten Blüten – darunter auch einige Besonderheiten wie seltene Orchideen, Golddistel oder Fransen-Enzian.